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Die Innere Transformation

Beziehung zu sich selbst, Kognitive Fähigkeiten, Verantwortung für Andere sowie die Welt, Sozialkompetenzen, Wandel umsetzen. Klingt verwirrend? Die sogennanten Inner Development Goals (zu Deutsch etwa: „Inneren Entwicklungsziele“) wurden von der 2020 ins Leben gerufenen, gleichnamigen Initiative aus Schweden mithilfe von 2 Umfragen entwickelt.

Ausgangspunkt dieser Entwicklung war die Sorge um das Einhalten der sogennanten Sustainable Development Goals (zu Deutsch: Nachhaltigkeitsziele) für 2030 (auch Agenda 2030 genannt). Diese 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung beinhalten etwa die Absicht, Armut auf der Welt zu beenden, ein gesundes Leben für alle Menschen unabhängig vom Alter zu ermöglichen sowie Ungleichheiten zwischen und innerhalb der Länder zu verringern. Diese wurden 2015 von den Vereinten Nationen verabschiedet.

Die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen, auch Agenda 2030 genannt.

Leider zeigt ein jüngster Bericht auf, dass voraussichtlich weniger als 20 % der Ziele eingehalten werden können. Konnten kurz nach der Einführung der Agenda ein paar Errungenschaften auf globaler erzielt werden (Anstieg um 2 Prozentpunkte von 64 auf 66% der Ziele) , so wurden seit der Corona-Pandemie keine nennenswerten Fortschritte mehr erreicht und Ungleichheiten zwischen und innerhalb von Ländern verschärfen sich.

Die gute Nachricht: Immerhin ein paar der Ziele in Bezug auf Gesundheit, wie die Neugeborenensterblichkeit und Sterblichkeitsrate bei Kindern unter 5 Jahren sowie der Zugang zu grundlegender Infrastruktur und Dienstleistungen – wie z. B. die Mobilfunknutzung, Internetnutzung und der Anteil der Erwachsenen mit einem Bankkonto könnten 2030 erreicht werden.

Dennoch ist die Ernüchterung groß und es stellt sich die Frage:

Verfügen die Menschheit derzeit über die Fähigkeit und ist sie in der Lage, diese Herausforderungen zu navigieren? Schließlich sind die notwendigen Ressourcen und Technologien vorhanden, um die Probleme anzugehen. Aber vielleicht reicht es nicht aus, die Aufgaben zur Bewältigung der Nachhaltigkeitsziele einfach als technisches Probleme zu betrachten.

Der US-Regierungsberater und Umweltanwalt James Gustav Speth bringt es mit seinen Worten auf den Punkt:

„Ich dachte immer, die größten Umweltprobleme seien der
Verlust der biologischen Vielfalt, der Zusammenbruch der Ökosysteme und der Klimawandel […] Aber ich habe mich geirrt. Die
größten Umweltprobleme sind Egoismus, Gier und Gleichgültigkeit… Und um diese Probleme zu lösen, brauchen wir einen spirituellen und kulturellen Wandel.“

Auch die sogennante Biophilie-Hypothese (Biophilie bedeutet so viel wie „Liebe zum Leben und zum Lebendigen“), vom Biologen Edward Osborne Wilson entwickelt, betont die spirituelle Dimension von Naturverbundenheit. In seinem Buch „Biophilia“ (Biophilie) definiert er die Hypothese und hebt das menschliche Bedürfnis hervor, mit anderen Lebensformen (Pflanzen und anderen Tieren) in Verbindung zu treten. Die Hypothese und die heilsame Wirkung von Spaziergängen auf Körper und Geist wurde jüngst in einer Studienanalyse bestätigt.

Der Biologe Edward Osborne Wilson entwickelte die Biophilie-Hypothese

Ein aktuelles Gesellschaftsbild zeigt, dass viele Menschen, unter der Bedrohung des voranschreitenden Klimawandels leiden. Insbesondere junge Menschen verspüren Ängste vor den unvorhersehbaren Folgen, wärend Ältere vor allem von Scham- und Schuldgefühlen betroffen sind. Diese Ängste gilt es, ernst zu nehmen, zu akzeptieren und gemeinsam darüber zu sprechen um die Lethargie und Passivität zu überwinden und ins Handeln zu kommen.

Im Detail erkennen wir, dass es Ansätze benötigt, Trennungen zu überwinden und Verbindungen, die verloren gegangen scheinen, wieder herzustellen. Einerseits von uns zur Natur, von uns zu anderen, sowie zu uns selbst (siehe Abbildung).

Die drei Spaltungen nach Scharmer

Die anfangs erwähnten Inner Development Goals greifen die vorangegangenen Gedanken auf.

Die fünf Dimensionen, welche wiederum 23 Fähigkeiten umfassen, können wie folgt zusammengefasst werden :

  • 1. Sein – Beziehungen zu sich selbst:
  • Die Stärkung unseres Inneren und die Entwicklung und Vertiefung unserer Beziehung zu unseren Gedanken, Gefühlen und unserem Körper helfen uns, präsent und bewusst zu handeln. Dadurch vermeiden wir zu überreagieren, wenn wir mit Mehrdeutigkeiten, Ungewissheiten sowie Widersprüchen (Komplexität) konfrontiert werden.
  • 2. Denken – Kognitive Fähigkeiten:
  • Die Entwicklung unserer kognitiven Fähigkeiten kann durch Einnahme unterschiedlicher Perspektiven geschult werden. Die Welt als ein zusammenhängendes Ganzes zu begreifen, ist eine wesentliche Voraussetzung für eine gute Entscheidungsfindung.
  • 3. Beziehung – Verantwortung für Andere sowie die Welt:
  • Leben in Wertschätzung, Fürsorge und Verbundenheit mit anderen, z. B. mit Nachbarn, zukünftige Generationen oder die Natur. Dies hilft uns, eine gerechteres und nachhaltigere Gesellschaft für alle zu erreichen.
  • 4. Zusammenarbeit – Sozialkompetenzen:
  • Um bei gemeinsamen Anliegen voranzukommen, hilft es, Akteure mit unterschiedlichen Werten, Fähigkeiten und Kompetenzen einzubeziehen. Wenn wir ihnen auch Raum geben (anstatt allein unsere Ansicht hervorzuheben), können wir mehr erreichen.
  • 5. Handeln – Wandel umsetzen:
  • Eigenschaften wie Mut und Optimismus helfen uns, echte Handlungsfähigkeit zu erlangen und alte Muster zu durchbrechen. Zudem können wir innovative Ideen sowie eine Resilienz in unsicheren Zeiten entwickeln.

Sie betonen die Bedeutung der persönlichen, inneren Transformation damit wir als Gesellschaft noch eine realistische Chance haben, die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Im Kern geht es darum, soziale Kompetenzen, wie Wertschöpfung und gegenseitiges Vertrauen zu stärken. Diese Fähigkeiten sollten in die Unternehmenskultur sowie in die Bildung integriert werden und etwa im Schulaltag etabliert werden.

Hier kann man in kostenlosen Lehrninhalten mehr über die Inner Development Goals erfahren. Im Oktober gibt es dann auch die Möglichkeit, einen Kongress (auf Englisch) zu dem Konzept in Stockholm zu besuchen (Preis ist bei Online-Teilnahme deutlich günstiger als in Präsenz).

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Zeit für positive Visionen

Leider reißen die Negativschlagzeilen bezüglich des Klimawandels nicht ab: Der Februar 2024 ist einer der fünf wärmsten jemals gemessenen Februarmonate seit Anbeginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1881. Da davon 3 seit 2001 stattgefunden haben, also in einem relativ kurzen Zeitraum, kann man hier einen klaren Indikator sehen.

Ebenfalls schwächt sich die Atlantische Tiefenzirkulation seit einiger Zeit ab. Die sogenannte Atlantische Meridionale Umwälzzirkulation (AMOC) sorgt dafür, dass es in Europa global gesehen vergleichsweise mild ist und stabilisiert das Wettersystem durch den Transport warmer Wassermaßen aus dem Golf von Mexiko. Dadurch, dass die Arktis schmilzt, kommt es dazu, dass der Salzgehalt abnimmt und das Wasser leichter wird. Die Gefahr besteht, dass das Wasser in Europa nicht mehr absinkt und es schließlich zum Ende der Zirkulation kommt. Dadurch käme es zu extremen Temperaturstürzen von 2-3 Grad in Deutschland – pro Jahrzehnt (zum Vergleich – Die aktuelle Veränderung beträgt ca. 0,2° Celsius pro Jahrzehnt) mit unvorhersehbaren Folgen etwa für die Landwirtschaft. Um eines vorweg zu nehmen: Es ist weder eindeutig sicher, dass das Ereignis eintritt, noch wann es genau eintritt. Aber es handelt sich um ein potenzielles Szenario.

Umso wichtiger erscheint es mir, nicht zu resignieren und stattdessen Kraft zu schöpfen aus Zukunftsvisionen, die Mut machen und Lust, sich dafür einzusetzen. Die erfolgreiche Durchsetzung des EU-Renaturierungsgesetz gibt Hoffnung, dass eine lebenswerte Zukunft möglich ist, indem bis 2030 in einem ersten Schritt bis zu 20 % aller Land- und Meeresgebiete der EU wiederhergestellt werden . Maike Sippel, Professorin für Nachhaltige Ökonomie sieht es als Grundvoraussetzung für ein Mindset, dass wir zum Handeln in der Transformation benötigen, sich ein „Bild von der Zukunft zu machen“ nach dem Motto: Anpacken statt Aufgeben!

Und es gibt anschauliche Beispiele davon, wie so eine Zukunft (in deutschsprachigen Städten) realistisch aussehen kann. So hat die Reinventing Society mit dem Bildband „Zukunftsbilder 2045 – Eine Reise in die Welt von morgen“ hoffnungsvolle Visionen für die Zukunft gezeichnet, hier an den Beispielen für Hamburg und Zürich dargestellt:

Hamburg im Jahr 2045

Hamburch zeichnet sich im neuen Gewand durch gut ausgebaute Radwege und ÖPNV sowie wenig PKW´s auf den Straßen aus. Auf den tanzenden Türmen befinden sich moderne Windräder, die sogenannten „Dutch Windwheels“. Die Dächer der Hochhäuser fungieren als Terrassen und laden zum Flanieren und zur Ausübung sportlicher Aktivitäten sowie zum Café-Besuch ein.

Zürich im Jahr 2045

Der zentrale Paradeplatz in Zürich wurde durch viele Begrünungsmaßnahmen umgestaltet. Zahlreiche Beete und Fassadenbegrünungen wurden zur Verschönerung des Stadtbildes und zum Klimaschutz eingesetzt. Desweiteren prägen (Reperatur-)Cafés, Gemüsestände sowie die Akademie für Lebesnkünste und die Bank für Gemeinwohl den Ort.

Jetzt stellt sich die Frage, wie denn so eine Zukunft gelingen kann, was braucht es dafür? In dem Band selber wird der Gedanke der „Regeneration“ hervorgehoben, im Gegensatz zum dem typischerweise genutzen Begriff „Nachhaltigkeit“. Im Kern geht es darum, Stoffwechsel, dass heißt Transportströme von Wasser, Nährstoffen und Energie in ein System eines geschlossenen Kreislaufes umzuwandeln. So dass wir es wie die Natur schaffen, kein Müll zu produzieren, andere Menschen oder Lebewesen auszubeuten und erneuerbare Energien zu nutzen. Es geht am Ende darum, mehr zurück als geben als man nimmt („nur die die richtigen Dinge tun“) als Dinge zu praktizieren die weniger schädliche soziale und ökologische Auswirkungen haben („Dinge weniger schlecht tun“). In den Gemeinden lässt sich das teilweise durch das Prinzip der Schwammstadt realisieren. Grob gesagt, geht es darum, das Niederschlagswasser dort zwischenzuspeichern, wo es hinfällt (z.B. über Mulden, Baumrigolen, Gründächer und -fassaden).

Folgende politische Maßnahmen dafür sieht der Club of Rome (internationaler Zusammenschluss von ExpertInnen für eine lebenswerte Zukunft) in seinem 2022 erschienen Bericht Earth for All („Erde für alle“) als essenziell an:

  1. Beendigung der Armut
  2. Beseitigung der eklatanten Ungleichheit
  3. Empowerment („Ermächtigung“) von Frauen
  4. Aufbau eines für Menschen und Ökosysteme gesunden Nahrungsmittelsystems
  5. Übergang zum Einsatz sauberer Energie

Zentral ist also die Aussage, dass der Klimawandel und sozioökonomische Bedingungen miteinander verbunden sind. Bei einer großen soziale Ungleichheit kommt es auch zu einer Verschärfung von Umweltproblemen: In Deutschland lehnen Leute mit niedrigen Einkommen Klimapolitik ab, wenn sie die Kosten dafür tragen müssen. Ein Beispiel dafür sind die kürzlichen Agrar-Proteste.

Weitere Anregungen und Gedanken zum Thema positive Zukunftvisionen finden sich unter folgenden 2 Seiten: Imagination, Zukunftsbilder.

Außerdem findet vom 7.-19. März der 8. Pioneers of Change Online Summit („Pioniere des Wandels Online-Gipfeltreffen)“ kostenlos statt. Diese Veranstaltung bietet hoffnungsvolle Perspektiven durch anregende Beispiele und Inspirationen von nahmhaften SprecherInnen wie etwa Auma Obama (Halbschwester von Barack Obama) oder Matthieu Ricard (Übersetzer des Dalai Lama). Als Einstimmung wird der Film „Mission: Joy – Zuversicht & Freude in bewegten Zeiten“ gezeigt, der auf dem Beststeller „Das Buch der Freude“ basiert. Interessiert? Hier geht es zur Anmeldung.

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Naturgewalt und Geisteskraft – Menschwerdung in der Evolution

So der Name des im vergangenen Jahr stattfindenden Symposium Kortizes in Nürnberg, das ich besuchte. Dieses findet einmal im Jahr statt und beschäftigt sich mit unterschiedlichen Themengebieten zu den Bereichen Hirnforschung und Psychologie. Es ist eine populärwissenschaftlich angelegte Veranstaltung. Das heißt, dass sie auf ein Publikum ausgerichtet ist, welches kein Fachwissen zu den Vortragsthemen hat.

Das 2023 stattfindende Symposium Kortizes stand unter dem Titel „Naturgewalt und Geisteskraft – Menschwerdung in der Evolution“

In meiner Promotion beschäftige ich mich damit, wie städtische Landschaftsstruktur auf menschliches Wohlbefinden wirkt. Dazu gibt es verschiedene Theorien, welche Anordnung größere Einflusse auf unsere Lebenszufriedenheit hat. Eine davon ist, dass die Vogelbiodiversität mit dem Landschaftsgefüge zusammenhängt. Auf der anderen Seite wiederum gibt es einige Indizien dafür, dass uns Vogelvielfalt und das Spektrum an unterschiedlichen Vogelgesängen gut tut. So konnte etwa ein Forschungsteam innerhalb eines Experiments feststellen, dass bei gesunden TeilnehmerInnen das Hören von Vogelgezwitscher zu einer Abnahme von Angstempfinden und Paranoia führt.

Gleichzeitig zeigen verschiedene Forschungsarbeiten, dass eine höhere Vogelbiodiversität mit bestimmten Strukturierungen der Landschaft zusammenhängt. Daher baut die Theorie also indirekt aufgebaut mit der Prämisse, das Landschaftsstruktur mit der Vielfalt an Vogelarten zusammenhängt und die Vielfalt im Umkehrschluss positiv auf das menschliche Wohlbefinden wirkt.

Ausgehend von der Fragestellung, warum die Vogelartenvielfalt einen positiven Effekt auf die Lebensqualität hat, stellten ForscherInnen die Vermutung auf, dass dahinter ein evolutionärer Mechanismus steckt. So habe es eine Art Ko-Evolution zwischen Mensch und Vögeln bezüglich des Sprachursprungs gegeben. Also, dass z.B. Vögelgesang sich parallel zur menschlichen Sprache entwickelt habe. Andererseits könnte gerade erst der Vogelgesang Menschen dazu inspiriert haben, zu Singen.

Ob an diesen Vermutungen etwas dran sein konnte, wollte ich dann eine Expertin fragen, die auf dem Gebiet zum menschlichen Sprachursprung forscht. Die Biologin Prof. Dr. Julia Fischer konnte ich nach ihrem Vortrag „Die schwierige Frage des Sprachursprungs – Was die Kommunikation von Affen über die Evolution der Sprache verrät“ erreichen. Auf meine Frage hin, konnte sie mir leider nur eine unbefriedigende Antwort geben: „Sie wandern da im Nebel.“ Die Theorie, ob es tatsächlich einen gemeinsamen Sprachursprung zwischen Menschen und Vögeln gegeben habe, könne man leider nicht mehr zurückverfolgen, dazu müsste man in die Vergangenheit reisen.

Auch kann nicht ausgeschlossen werden, dass es keine ursächliche Wirkung des Vogelreichtums auf die Lebenszufriedenheit gibt, sondern dass vielmehr dieser einen guten Indikator für eine intakte Natur darstellt. Das heißt im Umkerschluss also, dass die Artenvielfalt stellvertretend für eine natürliche Umwelt ist.

Diese These unterstützen auch die Forschenden, die sich mit den Auswirkungen von Vogelgezwitscher auf die mentale Gesundheit befassten. Es könnte etwa eine unterschwellige Verknüpfung beim Anhören von Vogelgesang entstehen, so dass dieser mit Naturraum assoziiert wird und ein Gefühl der Geborgenheit entsteht, das von psychischen Problemen ablenkt.

So oder so, lautet das Fazit des Forschers Joel Methorst, der sich mit dem Zusammenhängen zwischen der Vogeldiversität und der Lebenszufriedenheit beschäftigt hat: „Durch den drohenden Verlust der biologischen Vielfalt besteht die Gefahr, dass auch die Lebenszufriedenheit der Menschen bei einer verarmten Natur leidet“.

Und das Vogelgesang uns an sich gut tut, legen die Ergebnisse der Studien nahe. Insofern sollten wir auch um unserer selbst willen viel darein investieren, die Artenvielfalt zu schützen.

Oftmals wird ja in der Debatte um den Bau von Windraftanlagen argumentiert, dass diese zum Vogelsterben, insbesondere von Greifvögeln, wie dem Rotmilan erheblich beitragen und nur ein begrenzter Ausbau von Windenergie stattfinden sollte. Ja, es stimmt zwar, dass Windkraftanlagen leider für Vögel in vielen Fällen zum Tod führen (Schätzungen zufolge verenden etwa 100.000 Vögel jährlich deutschlandweit an Windrädern), im Vergleich jedoch andere Gefahrenquellen, wie Glasscheiben, Autoverkehr und Katzen (Schätzungen zufolge sterben zufolge bis zu 200 Millionen Vögel allein durch Katzen!) sind diese weitaus weniger bedeutsam. Klimaschutz sollte nicht gegenüber Artenschutz ausgespielt werden. Am Ende ist der Umstieg auf erneuerbare Energien wichtiger, da durch den Klimawandel ein weitaus größeres Artensterben droht.

Auch wenn mir das Symposium Kortizes in Hinsicht auf meine Forschung nur bedingt weiterhelfen konnte, kann ich einen Besuch wärmstens empfehlen. Neben dem Wissen kommt auch der Spaß nicht zu kurz. Viele Vortragende machen das Event zu einem kurzweilligen und abwechslungsreichen Ereignis. Im Oktober diesen Jahres findet dann die Veranstaltung mit dem Thema „Im Keller des Geistes – Gehirn, Psyche und die Leistungen des Unbewussten“ statt.

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Keynes´ Träume

In einigen Veranstaltungen, die ich dieses Jahr besuchte, schien der Gedanke von Degrowth, also einer geplanten Wirtschaftsschrumpfung, oftmals ein Schreckgespenst zu sein.

Dabei gibt es einige Gründe, einen Wandel zu begrüßen, der die gesamtgesellschaftliche Wohlfahrt auf lange Frist gewährleisten kann. Einer davon ist die allgemeine Verminderung der durchschnittlichen Arbeitszeit beispielsweise von 40 auf 30 Arbeitsstunden. Der aktuelle Trend geht zumindest in Europa und auch in Deutschland dahin, eine Vier-Tage Woche zu etablieren. Der Gedanke einer Arbeitszeitverkürzung ist nichts neues.

1930, inmitten der Weltwirtschaftskrise, entwickelt der einflussreiche Wirtschaftswissenschaftler John Maynard Keynes eine optimistische Vision für das Jahr 2030. In seinem Aufsatz „Die wirtschaftlichen Möglichkeiten unserer Enkelkinder“ prognostiziert er, dass die wöchentliche Durchschnittsarbeitszeit durch arbeitsparenden technischen Fortschritt und Produktivitätssteigerungen sich auf 15 Wochenstunden reduzieren würden. Die materiellen Bedürfnisse könnten erfüllt werden und die Menschen können sich sinnstiftenden Aktivitäten hingeben.

John Maynard Keynes, einer der einflussreichsten Wirtschaftsdenker des 20. Jahrhunderts
(https://www.bpb.de/cache/images/0/240440_galerie_lightbox_box_1000x666.png?3AC1D)

Wie sieht es nun aktuell in Deutschland aus? Hierzulande hat sich seit 1991 die durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 38,5h auf etwa 35h verringert. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Vollzeitarbeit mit über 40h im Wesentlichen stagniert, die Teilzeitarbeit zunächst gesunken ist, aber nun bei mehr als 20,5h liegt. Durch den Erhöhung des Anteils an Teilzeitarbeit (von 14 auf 29,5 %) ergibt sich insgesamt die Reduktion von etwa 3,5h. Von Keynes Prognosen sind wir also noch weit entfernt.

Umfragen verdeutlichen immer wieder, dass die Arbeitsbelastung im Allgemeinen hoch ist, viele psychische Erkrankungen hängen direkt oder indirekt mit der Arbeit zusammen. Burnout ist kein Nischenthema mehr. Neben der bloßen Arbeitszeit spielen natürlich noch andere Gründe eine Rolle, wie die Beziehung unter den KollegInnen, das Rollenverständnis sowie die Arbeitsumgebung.

Grundsätzlich lässt sich aber feststellen, dass hier eine gesellschaftliche Symptomatik auftritt. Es lässt sich ein kollektiver unbewusster Produktivitätszwang feststellen, der durch die Digitalisierung und die Verschwimmung der Grenzen zwischen Arbeits- und Freizeit noch befeuert wurde. Die Lohnarbeit ist zu einem Statussymbol geworden, es gilt das Motto: „Ich arbeite, also bin ich“. (https://www.brandeins.de/magazine/brand-eins-wirtschaftsmagazin/2023/zeit/lothar-seiwert-teresa-buecker-das-zeit-paradox?utm_source=pocket-newtab-de-de). Der / Die Workaholic, welche zwanghaft oder exzessiv arbeitet, ist keine Ausnahmeerscheinung mehr (dies ist abzugrenzen von einer langen Arbeitzeit in Kombination mit einer positiven und erfüllenden Arbeitseinstellung). Der Anteil an arbeitssüchtigen Erwerbstätigen liegt hierzulande bei knapp 10 Prozent.

Eine persönliche Lösung innerhalb der Leistungsgesellschaft sieht der Hirnforscher Gerald Hüther darin, die Vorstellung von Lohnarbeit durch jene einer (erfüllenden) Tätigkeit zu ersetzen und mit sich selbt liebevoll umzugehen um zu erreichen, letzendlich sich selbst als GestalterIn des eigenen Lebens betrachten (Interview ab 19:30).

Eine Problematik, die Keynes identifzierte, deren Auswirkungen er aber unterschätzte, sind die sogenannten relativen Bedürfnisse . Hierbei geht es um die Frage des sozialen Vergleichs, also sich von anderen abzuheben. In seinem Buch „Der Wachstumszwang – Warum die Weltwirtschaft immer weiter wachsen muss, selbst wenn wir genug haben“ stellt Matthias Binswanger dieses Paradoxon dar. Die Sättigung der Nachfrage stellt eine Problem in einem wachstumsorientierten Wirtschaftssystem dar, dass durch Konsum befriedigt wird. Dieser Konsum stellt quasi einen Zwang dar und muss zum Antrieb des Systems befriedigt werden.

Ob wir durch die Überproduktion zufriedener werden, spielt keine Rolle, es muss nur daran geglaubt werden. Sofern die Gefahr einer Sättigung besteht, dient Werbung dazu, eine neue Nachfragequelle entstehen zu lassen. Dass wird sehr eindrucksvoll in der Dokumentation „The Century of the Self“ (zu Deutsch: Das Jahrhundert des Selbst) von Adam Curtis am Beispiel der U.S.A. dargestellt. Der Neffe Siegmund Freuds, Edward Bernays missbrauchte die damals neuen Kenntnisse über die Psychanalyse , um etwa auch den Tabakkonsum unter Frauen populär zu machen, indem er Zigaretten unter der Emanzipationsbewegung als „Fackeln der Freiheit“ bewarb.

Werbung als Manipulationsmethode mit dem Ziel der Konsumsteigerung (https://www.mdmarketingdigital.com/blog/wp-content/uploads/2019/04/bernays.jpg)

Man könnte annehmen, dass durch die immerhin leicht gesunkene durchschnittliche Wochenarbeitszeit insgesamt eine Entschleunigung eingetreten ist und Freizeit mehr Raum einnimmt. Dies lässt sich aber so nicht feststellen. Einerseits liegt das an dem bereits dargestellten Produktivitätszwang und der Verstärkung dieser durch soziale Medien. Andererseits sind es gerade Frauen, die öfter in Teilzeit arbeiten und danach noch unbezahlte Pflegearbeit für ihre Familie leisten müssen (siehe auch: https://www.brandeins.de/magazine/brand-eins-wirtschaftsmagazin/2023/zeit/lothar-seiwert-teresa-buecker-das-zeit-paradox?utm_source=pocket-newtab-de-de).

Hinzukommt, dass selbst in der Freizeit viele kaum abschalten können, da durch die Allgegenwärtigkeit von Medien und die permanente Auseinandersetzung in unterschiedlichsten Netzwerken und Internetforen eine Reizüberflutung stattfindet. Nichtstun fällt schwer. Dabei sind wir, evolutionär betrachtet, gar nicht dazu ausgestattet, so viel auf einmal wahrzunehmen und zu verarbeiten. Zudem ist für das eigene Wohlbefinden von Bedeutung, auch mal Einladungen absagen zu können und nicht auf alle Feiern gehen zu müssen, auf die man eingeladen wird. Die negativen Konsequenzen einer Absage werden überschätzt.

Es wäre sinnvoll, sich die Frage zu stellen: Was ist mir wichtig, wofür will ich mir die Zeit wirklich nehmen. Dies entspricht eigentlich auch dem Grundansatz der Wirtschaftswissenschaften, wie es der Glücksforscher Karlheinz Ruckriegel ausdrückt: „[…]wie gehe ich mit meinen knappen Ressourcen, Stichwort Zeit so um, dass ich ein Höchstmaß von dem, was ich erreichen möchte, sprich, ein gelindes, zufriedenes, glückliches Leben, auch erreiche.“

Hierbei kann man sich noch einmal vor Augen halten, was eine gute Lebensqualität eigentlich ausmacht. Grundsätzlich sind für die eigene Lebenszufriedenheit der Gesundheitszustand und soziale Beziehungen weitaus bedeutender als etwa ein hohes Einkommen. Dabei sind wir alle verschieden, manche Faktoren spielen für Menschen mit bestimmten Persönlichkeitseigenschaften eine größere Rolle als für andere.

Für die Politik ist die gesellschaftliche Wohlstandsmessung (also die Summe der Lebensqualität aller Menschen) entscheidend. Zurecht kritisiert hier der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher die kurzsichtige Fokussierung der deutschen Wohlstandsmessung auf monetäre Warenströme. Von Bedeutung seien nämlich vor allem auch eine intakte Umwelt sowie die Wahrung des sozialen Friedens. Eine Einschränkung bestimmter umweltschädlicher Verhaltensweisen wie etwa von Flugreisen haben im Vergleich zu dem Verlust der anderen beiden Faktoren einen unwesentlichen Einfluss auf das eigene Wohlbefinden.

Ein Aspekt, der hier noch nicht angesprochen wurde, aber wesentlich für die Wahrung des sozialen Friedens ist, ist die Behebung der sozialen Ungleichheit. Der aktuelle Rechtsruck lässt sich auch durch die zunehmenden Einkommens- und Vermögensungleichheiten erklären. Damit wir die Transformation erfolgreich bewältigen können, ist es von großer Bedeutung, die gesamte Gesellschaft zu erreichen und in dem Prozess zu beteiligen. Die Einführung des Klimageldes ist ein essentielle Maßnahme, um den erstarkenden Populismus sowie der wachsendenden Ungleichheit etwas entgegenzusetzen.

Um zurückzukommen auf Keynes Vision: Eine grundsätzliche Reduktion der Arbeitzeit auf 15h ist vielleicht nicht für jede Person wünschenswert. Allerdings scheint die allgemeine Rastlosigkeit ein gesellschaftliches Phänomen zu sein, was es wichtig wäre zu beheben, um die allgemeine Wohlfahrt zu beheben. Hierbei müssten neben einer Arbeitszeitverkürzung andere politische Maßnahmen ergriffen werden, etwa um dem Problem der unbezahlten Pflegearbeit entgegen zu wirken. Zudem sollte Freizeit kein Privileg der reicheren Bevölkerungsschichten sein. Ausgleichs- bzw. Umverteilungsmaßnahmen, die der wachsenden sozialen Ungleichheit etwas entgegensetzen, sind von großer Bedeutung, damit die Transformation gelingen kann.

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Was genau bedeutet eigentlich nachhaltige Entwicklung?

Oft benutzt, doch kaum korrekt verwendet. Der Begriff „nachhaltige Entwicklung“ wurde in Bezug auf die ökonomische Entwicklung erstmals im sogenannten Brundtland Report der Vereinten Nationen im Jahr 1987 definiert. In diesem wird auf S. 40 folgendes beschrieben (durch Deepl ins Deutsche übersetzt):

„Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die die Bedürfnisse der heutigen Generation befriedigt, ohne die Möglichkeit künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen.

Der Begriff beinhaltet zwei Schlüsselkonzepte:

  • das Konzept der „Bedürfnisse“, insbesondere der grundlegenden Bedürfnisse der Armen in der Welt, denen oberste Priorität eingeräumt werden sollte
    und
  • die Vorstellung von Grenzen, die der Stand der Technik und der sozialen Organisation anhand des Vermögens der Umwelt, gegenwärtige und künftige Bedürfnisse zu befriedigen.“

Der Begriff „Bedürfnisse“ steht also im Vordergrund. In dem Bericht selbst wird das Wort auch definiert. Hierbei geht es etwa um Grundbedürfnisse wie Wohnen, die Wasser- und Gesundheitsversorgung sowie die Abwasserentsorgung. Ebenso notwendig für ein würdevolles Leben und die Möglichkeit einer Selbstverwirklichung sind natürlich auch die ausreichende Versorgung mit Nahrungsmitteln, Kleidung und die Möglichkeit, einen Beruf auszuüben.

Insgesamt ist der Begriff nicht ganz scharf definiert beziehungsweise es gibt unterschiedliche Konzepte wie etwa den Befähigungsansatz, die allgemeinen menschlichen Bedürfnisse sowie die Bedürfnispyramide. Diese grenzen sich aber klar von der Vorstellung ab, etwa eine Maximierung des Nutzens durch Verbrauch (von Konsumgütern) zu erreichen.

Diese Vorstellung, die auch dem Prinzip des (endlosen) Wirtschaftswachstums zu Grunde liegt, ist nicht mit nachhaltiger Entwicklung vereinbar. Wir sind von den planetaren Grenzen und der Umwelt abhängig und sind daher in unserem wirtschaftlichen Handeln, also dem Konsum und der Produktion, Limitationen ausgesetzt. Überspitzt dargestellt wird dies in diesem amüsanten

Video von extra 3.

„Wachstum um des Wachstums willen ist die Ideologie der Krebszelle“ (Zitat von Edward Abbey)

Hierbei muss hinsichtlich der Entwicklungen differenziert werden zwischen den relativ reichen Ländern, die überwiegend verantwortlich sind für einen Großteil der globalen Emissionen sowie den relativ armen Ländern, die am härtesten die Folgewirkungen des Klimawandels zu spüren bekommen (siehe dazu auch: https://taz.de/Wohlstand-fuer-die-ganze-Welt/!5919308/).

Die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen versuchen, dem Umstand der ökologischen Grenzen gerecht zu werden:

Die 17 Nachhaltigkeitsziele zugeordnet in die einzelnen Sphären. Die Wirtschaft ist eingebettet in die Gesellschaft. Beide sind Teil der Umwelt beziehungsweise der Natur (https://www.fairzinsung.com/wp-content/uploads/sites/3/2019/04/sdgs_Pyramide.jpg)

Diese Ziele umfassen unter anderem die Absicht, Armut in all ihren Formen und überall zu beenden, umgehend Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkungen ergreifen, aber auch ein dauerhaftes, breitenwirksames und nachhaltiges Wirtschaftswachstum, produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle zu fördern (siehe dazu auch: https://unric.org/de/17ziele/). Hierbei besteht ein Zielkonflikt zwischen der Absicht, einerseits universelles Wirtschaftswachstum anzustreben und andererseits Klimaschutz zu betreiben, der thematisiert werden muss (https://web.ecogood.org/de/menu-header/blog/die-sustainable-development-goals-und-das-gemeinwohl/).

In den letzten Jahrzehnten ist eine Debatte darüber enstanden, ob ein sogenanntes grünes Wachstum möglich sei. Gemeint ist damit die Entkopplung des Wachstums vom Bruttoinlandsprodukt (BIP) Ressourcen- und Energieverbrauch. Konkret also mehr Waren und Dienstleistungen zu produzieren, ohne gleichzeitig die Umwelt weiter zu belasten (https://www.spektrum.de/news/gruenes-wachstum-passen-wirtschaftswachstum-und-umweltschutz-zusammen/2043169).

Eine jüngste Studie untersuchte den Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum und Kohlenstoffdioxidverbrauch in reichen Ländern. Die Autoren zeigten auf, dass zwar eine absolute Entkopplung der CO²-Emissionen auch in Deutschland in den letzten Jahren passiert ist, diese aber bei Weitem nicht ausreichen, um das 1,5 Grad Ziel Erwärmung des Pariser Klimaabkommens zu erreichen. Denn Deutschland müsste die Emissionen um das 30-fache (!!!) in den nächsten 4-Jahren senken um das Ziel zu erreichen. Im Schnitt würde es laut Studie noch mehr als 220 Jahre dauern, bis die Emissionen um jene 95 Prozent reduziert werden, die im Pariser Klimaabkommen bis 2050 beschlossen sind. Auf dem Weg dahin würden die untersuchten Staaten 27-mal so viel emittieren, wie im Pariser Abkommen vereinbart (https://taz.de/Studie-ueber-Wachstum-und-Emissionen/!5957828/).

Ein grünes Wachstum in Deutschland ist also ein Wunschdenken und es sollte sich schleunigst davon verabschiedet werden, weiter dieser Illusion zu unterliegen.

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Die Zukunft ist da – packen wir sie an!

In einer Diskussion vor einiger Zeit mit einem Professor, der sich mit Geldpolitik beschäftigt, ergab sich ein interessantes Gespräch. Mein Anliegen war es vor allem, ihn mit den seinen in der Veranstaltung präsentierten Modellen zu konfrontieren. In diesen wurde beabsichtigt, eine Maxmierung des Individualkonsums herbeizuführen. Eine überholte Vorstellung im Zeitalter der Ressourcenverschwendung und Klimakrise. Er stimmte mir zu, dass die ökonomische Lehre planetare Grenzen berücksichtigen müsse. Allerdings kamen wir dann auf ein anderes Thema zu sprechen. Er berichtete mir, er könne sich das alles gar nicht vorstellen, dass jetzt die ganzen Städte umgebaut werden sollen und Auto fahren in der Stadt nicht mehr beziehungsweise kaum mehr möglich sei.

Das ist tatsächlich gar nicht so verwunderlich. Schließlich basiert unser Handeln und unsere Erwartungen darauf, was wir in der Vergangenheit erlebt haben und wir daran glauben, dass etwas heute funktioniert, weil es das gestern schon getan hat. Wir orientieren uns also an der Vergangenheit (siehe dazu: https://www.spektrum.de/kolumne/philosophie-aehnelt-die-zukunft-der-vergangenheit/2177565?utm_source=pocket-newtab-de-de#Echobox=1694247245).

Demnach kann es durchaus schwer sein, sich vorzustellen, wie Dinge grundsätzlich anders gestaltet werden. Das hängt natürlich auch von Gewohnheiten ab. Gewohnheitseffekte können positiv wie negativ sein. Beispielsweise zeigen Arbeiten in den Neurowissenschaften, dass PatientInnen, die ein Locked-In-Syndrom erleiden, also fast vollständig gelähmt sind, dennoch eine hohe Lebensqualität aufweisen können, inofern es ihnen ermöglicht wird, mit ihrer Umgebung beispielsweise durch elektronische Hilfsmittel zu kommunizieren. Es ist also möglich, sich an eine erlittene Behinderung zu gewöhnen (siehe hierzu auch Kapitel 4 des Buches „Dein Gehirn weiß mehr, als du denkst“ von Niels Birbaumer). Auf der anderen Seite können wir uns aber auch an Dinge gewöhnen, die auch unsere Umgebung negativ beeinflussen, zum Beispiel eine schlechte Luftqualität oder die verringerte Anzahl an Schmetterlingen. (siehe dazu: https://www.spektrum.de/magazin/gute-nacht-falter/2144115).

Schmettterlinge, wo seid ihr?
(https://www.planet-wissen.de/natur/insekten_und_spinnentiere/schmetterlinge/bild-schmetterling-admiral-100~_v-ARDFotogalerie.jpg)

Der Effekt der Gewohnheit ist insbesondere im Mobilitätsverhalten stark ausgeprägt, gilt also auch für das Auto fahren. In Deutschland hat die Verkehrsplanung der Nachkriesgzeit hier leider ihren traurigen Beitrag geleistet, wobei es darum ging, den motorisierten Individualverkehr zu fördern und eine Verbreiterung der Straßen für die „autogerechte Stadt“ zu realisieren. Doch wir können eine bessere Zukunft gestalten. Viele Beispiele, wie z.B. aus Barcelona, Kopenhagen oder Utrecht zeigen, dass sofern der politische Wille und Mut da ist, eine lebenswertere Stadt, die auch zukunftsfähig ist, geschaffen werden kann.

Bei der Umsetzung zeigt sich häufig, dass es vor der Änderung einen großen Widerstand gibt, der bei der Umsetzung des Umbaus beachtet werden muss und am besten versucht wird, auszuhalten. Mit dem Brechen alter Verkehrspolitik, wird am Ende mehr gewonnen: weniger Verkehrsräume, mehr Grünflächen und Freiräume und im Ergebnis eine höhere Aufenthaltsqualität.

(siehe dazu: https://www.spektrum.de/news/verkehrsplanung-superblocks-fuer-lebenswertere-staedte/2044237; https://utopia.de/ratgeber/fahrrad-statt-auto-dinge-die-wir-von-kopenhagen-lernen-konnen/?utm_source=Interessenten&utm_campaign=b1a3bfc4d9-Newsletter_DO_22KW21&utm_medium=email&utm_term=0_af58dac727-b1a3bfc4d9-268142816; https://taz.de/Der-Siegeszug-des-Fahrrads-in-Utrecht/!5869288/)

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Ökonomie anders denken & handeln

Am 20.09. hielt ich als Sprecher der Cradle to Cradle (C2C) Regionalgruppe Marburg zusammen mit der Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ) Gruppe Lahn-Eder einen Vortrag im Material-Zentrum Marburg (MaZe) mit dem Titel: „Ich liebe meinen Fußabdruck – Ökonomie anders denken & handeln“.

Die Ziele beider Organisationen überschneiden sich: C2C strebt an, das Konzept „Müll“ als Fehler der Vergangenheit in der menschlichen Geschichte hinter sich sich zu lassen und durch die Transformation des sogenannten „linearen Wirtschafttssystems“ hin zu Kreislaufsystemen menschliches Handeln als etwas Positives zu begreifen. Diese Leitgedanken stehen im Gegensatz zu den typischen Ansichten im Kontext des „Anthropozäns„(siehe dazu: https://www.ardalpha.de/wissen/umwelt/nachhaltigkeit/anthropozaen-erdzeitalter-geologie-mensch-100.html).

Die Visionen von C2C bedienen sich eines positiven Menschenbildes und streben an, Optimismus zu säen. Die Botschaften lauten: „So geht morgen. Gestalte kreislauffähig. Produziere gesund. Denke positiv.“ sowie „Kreis statt Krise“.

Auch die Gemeinwohökonomie verfolgt einen Systemwandel. Im Kern verfolgt sie das Ziel, möglichst vielen Menschen ein gutes Leben zu ermöglichen und nicht die maximale Bereicherung von ein paar Wenigen, wie es oftmals der Fall ist. Menschenwürde, ökologische Verantwortung, Solidarität, soziale Gerechtigkeit, demokratische Mitbestimmung und Transparenz werden als grundlegende Pfeiler für wirtschaftliches Handeln angesehen und anhand der entwickelten Gemeinwohl-Matrix abgebildet. Diese ist ein Modell für die Entwicklung und Bewertung von wirtschaftlichen und gemeinwohl-orientierten Aktivitäten von Unternehmen. Der Beitrag zum Gemeinwohl kann damit bewertet werden (Siehe dazu: https://neuezeit.at/gemeinwohl-oekonomie-erklaert/ https://germany.ecogood.org/, https://germany.ecogood.org/tools/gemeinwohl-matrix/).

Die Denkschulen beider Ausrichtungen können in einem Begriff zusammengefasst werden: dem regenerativen Wirtschaften. Dieser Begriff wird in dem sehr lesenswerten Dialog „Schöpfen und Erschöpfen“ zwischen der Politikönomin Maja Göpel und der Philosophin Eva von Redecker aufgegriffen. Ihre Ursprünge hat er in der Landwirtschaft, wobei die regenerative Landwirtschaft Diversität und Kompost als etwas Wertvolles begreift, um den Kreislauf der Pflanzkultur neu beginnen zu lassen, im Gegensatz zur Bewirtschaftung von Monokulturen, die durch die grüne Revolution im globalen Süden skaliert wurden (siehe dazu: https://www.deutschlandfunkkultur.de/regenerative-oekonomie-mit-der-natur-arbeiten-nicht-gegen-100.html).

Konkret geht es bei der regenerativen Wirtschaft darum, die Regenerationszeit der in der Arbeit verwendeten Elemente zu berücksichtigen. Eva von Redecker definiert Regeneration prägnant, wenn auch etwas schwammig: „Reproduktion ist die Zeit, in der Lebwesen ihre Reproduktion anstrengungslos vollziehen.“ (siehe Buch „Schöpfen und Erschöpfen“, S. 70). Die Frage der Regenerationszeit lässt sich einerseits auf den biologischen Kreislauf beziehen: „Wie lange dauert es, bis etwas nachwächst?“ andererseits auch auf technische Kreisläufe: „Wie lange dauert ein Recyclingverfahren?“.


Eine kreislauffähige Wirtschaft nach den Vorstellungen von C2C. Links die Biosphäre (biologischer Kreislauf) und rechts die Technosphäre (technischer Kreislauf) . Nährstoffe (statt Müll) bilden die Grundlage für neue Produkte.(https://gruenderplattform.de/green-economy/cradle-to-cradle)

Allerdings bezieht sich Regeneration auch auf die menschliche Tätigkeit selbst, also die physische Arbeit selbst und dies kann auch als elementar angesehen werden, da wirtschaftliches Handeln unmittelbar mit menschlicher Aktivität verbunden ist. Dabei geht es um die Frage: „Was braucht es zur Erholung von der Arbeit?“ Von Redecker führt hier das Beispiel von Pflegekräften im Gesundheitssystem an, bei denen man viel größere Regenerationszeiten (= Freizeit) ansetzen müsse, als dies aktuell in Deutschland der Fall ist. Natürlich stellt sich die Frage, wie man individuelle Regenerationszeiten erfassen und transparent machen kann. Eine Idee könnte etwa sein, dass man u.a. digitale Gesundheitssensoriken als Hilfsmittel nimmt, persönliche Erschöpfungssymptome (neben der individuallen bzw. ärztlichen Einschätzung) erkennen könnte. Die Datenschutzbehandlung wäre dann eine andere Frage.

Zum Ende noch ein paar Tipps, wie man mit seinem Handeln einen positiven Fußabdruck hinterlassen kann und ein paar Zitate, die ich ermutigen finde und zur Motivation anregen: „Es gibt nichs Gutes außer man tut es“ (Erich Kästner). „Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünscht für diese Welt.“ (Mahatma Gandhi). „Hope is Action“ (=Hoffnung heißt, aktiv zu sein) (SprecherIn auf der Beyond Growth Konferenz in Brüssel 2023). Wenn euch die Gedanken von der GWÖ oder von C2C ansprechen, kann ich euch ermutigen, einfach mal bei der Lokalgruppe eurer Stadt oder Region anzufragen, vielleicht findet ihr eine Gruppe, in der ihr aktiv werden könnt.

Bei der GWÖ: https://germany.ecogood.org/ueber-uns/regionalgruppen/ Bei C2C: https://ehrenamt.c2c.ngo/regionalgruppen/

Ehrenamtliche Aktivität kann wahnsinnig viel Spaß bereiten. Und wie ihr von dem letzten Blogartikel „Action for Happiness“ vielleicht noch wisst, trägt Sinn im Leben zu finden und Teil etwas Größerem zu sein, sogar laut aktuellem Forschungsstand zur Erhöhung der eigenen Lebenszufriedenheit bei ( siehe auch: https://www.actionforhappiness.de/10-keys/sinn/).

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Action for Happiness

„Exploring, What Matters“ (zu Deutsch: Erkunde, was zählt). Damit wirbt der Kurs mit dem Titel „Action for Happiness“, der unter anderem von dem Ökonomen Richard Layard mit Unterstützung des Dalai Lamas gegründet worden ist und von Ehrenamtlichen geleitet wird.

Das Kursbuch von Action for Happiness

Ein neuer Coaching-Kurs? Mitnichten. Das Ziel des Kurses, ist es laut Website „eine grundlegend andere Lebensweise kreieren – eine, in der Menschen mehr auf das Glück und Wohlbefinden für sich und andere achten, und sich weniger darauf fokussieren, was sie für sich selbst erhalten können.“ Hierbei geht es auch nicht darum, eine spirituelle oder esoterische Lebensweise in den Vordergrund zu rücken. Vielmehr geht es darum, Grundüberzeugungen hinterfragen, wie wir Wohlstand definieren und zu lernen, was eigentlich wichtig ist für unser Wohlbefinden.

(Siehe dazu: https://www.actionforhappiness.de/ueber-uns/)

Denn das lässt sich messen. In Deutschland wird dies durch das sogenannte Sozioökonomischen Panel getan, anhand der Fragestellung: „Wie zufrieden sind Sie gegenwärtig, allen in allem, mit Ihrem Leben“ erhoben. Seit 1984 wurden mehr als 80.000 Personen dazu befragt. Ein empfehlenswertes, leichtgängiges Buch dazu trägt den Titel „Wann sind wir wirklich zufrieden? – Überraschende Erkenntnisse zu Arbeit, Liebe, Kindern, Geld“ von Martin Schröder.

Die sogenannte Glücksforschung (in den meisten Untersuchungen dazu geht es um langfristiges Wohlbefinden, und nicht um ein kurzfristiges Glücksempfinden) kritisiert den Fokus auf Wirtschaftswachstum im Globalen Norden, da festgestellt werden kann, dass in einigen Ländern zwar das Pro-Kopf Einkommen größer wird, die Menschen aber nicht zufriedener.

(siehe dazu: https://www.actionforhappiness.de/wp-content/uploads/2019/01/erkunde-was-z%C3%A4hlt-kursbuch-kapitel-1.pdf)

Daher sollte die Wirtschaftspolitik in Ländern wie Deutschland andere Dinge fokussieren, als die Steigerung des sogenannten „materiellen Wohlstand“. Insbesondere von Bedeutung für unser Wohlbefinden ist die Beziehung zu unseren Mitmenschen. Auch ein wichtiger Faktor ist die Arbeit, mit der wir uns beschäftigen. Schließlich gibt der Beitrag zur Gesellschaft unserem Leben auch einen Sinn. Wichtig ist dabei natürlich wiederum zu beachten, wie unser Arbeitsleben gestaltet wird, damit wir uns dabei wohl fühlen. Stimmt das Klima in dem Betrieb? Gibt uns die Chefin Freiräume bei wichtigen Entscheidungen? Ist eine ausreichende Pause gewährleistet. Die Arbeitzufriedenheit ist daher ein nicht zu unterschätzender Faktor. Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Faktor ist das Maß an Vertrauen, das wir Fremden gegenüber empfinden. Dieses ist laut Richard Layard, in den U.S.A. und Großbritannien seit den 1960-er Jahren um die Hälfte gesunken. Gründe seien hierfür etwa der gestiegene Individualismus und Wettbewerb in den Gesellschaften. Hierbei geht es auch um den den sogenannten sozialen Vergleich. Oftmals neigt man dazu, sich mit anderen zu vergleichen (es bringt es Vorteile mit sich , um die eigene Situation einzuschätzen). Zieht man seine Zufriedenheit jedoch überwiegend aus dem Vergleich mit anderen, führt dies im Endeffekt nicht dazu glücklicher zu werden, schließlich gibt es ja immer Personen, die bestimmte Fähigkeiten besser können als man selbst. (siehe dazu: https://www.youtube.com/watch?v=iAZwvTV3CyQ)

An dem Satz „Jeder ist seines Glückes Schmied“ scheint möglicherweise etwas Wahres dran zu sein. In dem Kurs selber geht es dann auch darum, mit den anderen TeilnehmerInnen zu erarbeiten, was uns und andere zufriedener macht. Dazu gibt es in acht Sitzungen unterschiedliche Themen wie: „Was machen gute Beziehungen aus?“, Können wir eine glücklichere Gesellschaft aufbauen? „Können wir innere Ruhe finden?“

Letzter Punkt bezieht sich schwerpunktmäßig auf Achtsamkeit. Hierbei geht es darum, sich den gerade präsenten Gedanken, Gefühlen und auch möglicherweise seiner Umgebung bewusst zu werden. Ziel ist es, eine offene Haltung mit einer Akzeptanz einzunehmen, für das was im Moment passiert. Dies kann man etwa durch Meditationsübungen erlangen. Diese werden im Kurs geschult und etwa am Anfang jeder Sitzung durchgeführt. Obwohl es dazu viele Studien gibt, die durchaus unter fragwürdigen Umständen durchgeführt worden sind, konnten Neurowissenschaftler mit modernen Methoden beweisen, dass diese etwa dazu beitragen, Stress zu lindern und die mentale Gesundeit zu steigern. Das Buch „Altered Traits – Science Reveals How Meditation Changes Your Mind, Brain, and Body“ (zu Deutsch: „Veränderte Charaktereigenschaften -Die Wissenschaft enthüllt, wie Meditation Ihren Geist, Ihr Gehirn und Ihren Körper verändert“) herausgegeben von Daniel Goleman und Richard J. Davidson kann hier als interessante Zusammenfassung empfohlen werden.

Da der Kurs von einem Wissenschaftler ins Leben gerufen wurde, gibt es in jedem Kapitel des Kursbuches auch Quellenverweise aus der Glücksforschung. Aufgrund der wissenschaftlichen Erkenntnisse wurden auch die Zehn Schlüssel zum glücklicheren Leben entwickelt:

10 Schlüssel zum glücklicheren Leben

Die positive Wirkung des Kurses auf die Psyche und das prosoziale Verhalten (zumindest in London bei knapp 150 TeilnehmerInnen) wurde sogar anhand einer sogenannter randomisierten kontrollierten Studie (der Goldstandard in der Forschung) nachgewiesen (siehe dazu: https://actionforhappiness.org/course-evaluation). Daher kann ich eine Teilnahme empfehlen: https://www.actionforhappiness.de/kurs/.

Aktuell gibt es zudem noch bis zum 06.09.23 eine Umfrage zur gesellschaftlichen Wohlfahrt der Bundesregierung. Hierbei soll dem Umstand gerecht werden, die Erfassung des materiellen Wohlstands durch andere Indikatoren, wie etwa die Lebenszufriedenheit, Biodiversität, aber auch die soziale Ungleichheit zu ergänzen. Das wäre super, wenn sich viele daran beteiligen, da der Fokus der Wohlstandsmessung leider noch aktuell auf das Bruttoinlandsprodukt fokussiert ist. Hier geht es direkt zur Abstimmung: https://bmwk.limesurvey.net/147346?lang=de-easy

(siehe dazu: https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Pressemitteilungen/2023/07/20230725-bmwk-startet-konsultation-zur-wohlfahrtsmessung-im-jahreswirtschaftsbericht.htmlyQ)

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Die Ökologische Ökonomie

Mitte Juli ging es für mich in die Toskana, genau genommen nach Pisa. Ich hatte unter anderem das Ziel, die Grundzüge der Ökologischen Ökonomie zu erlernen. Dazu besuchte ich nun eine sogenannte Sommer School (zu Deutsch: Sommerschule), die von dem Fachbereich Wirtschaft und Management der Uni angeboten wurde.

Mein Interesse geweckt hatten vor allem jene Informationen, die auf einer Seite der Uni Pisa bereit gestellt wurden. So hieß es etwa hinsichtlich der Lernziele:

„Nach Abschluss der Sommer School werden die Studierenden die grundlegenden erkenntnistheoretischen und analytischen Instrumente der Ökologischen Ökonomie verstehen, die zur Erforschung der aktuellen Herausforderungen der Nachhaltigkeit und der jüngsten
Konzepte von Postwachstum/Degrowth eingesetzt werden.“

Die Frage, wie eine erfolgreiche Transformation
und Gesellschaft im Angesichts der Klima- und Biodiversitätskrise gelingen kann, treibt viele Menschen derzeit um. Die Ökologische Okonomie befasst sich im Kern mit dem Wirtschaften innerhalb planetarer Grenzen und bietet meiner Meinung nach eine ernsthafte Anwort auf die Fragestellung, im Gegensatz zu der oftmals noch dominaten traditionellen Lehre, der sogenannten Neoklassik.

Symbol der Europäischen Gesellschaft für Ökologische Ökonomie

Im folgenden Text werde ich eine der beiden wichtigsten Denker dieser Forschungsausrichtung vorstellen und anschließend auf die Relevanz für unser heutige Gesellschaft und dem Konsum eingehen.

Der Institutsökonom Karl William Kapp, 1910 im heutigen Kaliningrad geboren, hob in seinem Werk „Soziale Kosten der Marktwirtschaft: Das klassische Werk der Umwelt-Okonomie” hervor, dass die sogenannten externen Effekte, die etwa beim Verbrauch oder der Herstellung von Waren entstehen, einen ubiquitären Charakter haben, also allgegenwärtig sind. Da ein systemischer Druck durch den Wettbewerb auf den Märkten entstehe, sei es unmöglich, externe Effekte als unbeabsichtigte Nebeneffekte zu betrachten, wie es in der klassischen Wirtschaftslehre der Fall ist.

Vielmehr würden sie zum Zweck der ”Kostenverschiebung¨erzeugt. Nach dieser Auffassung ist eine freie Marktwirtschaft nicht mit den Erfordernissen des ¨okologischen Systems und der Befriedigung menschlicher Bedürfnissen vereinbar. Er plädierte daher für konsequente staatliche Regelungen zum Schutz von Mensch und Umwelt.


Die Wirtschaft ist ein offenes System, das ein Teilsystem des in die Umwelt eingebetteten sozialen Systems ist. Da sie mit anderen Elementen des Systems verbunden ist, ist eine Unterscheidung zwischen wirtschaftlichen Merkmalen und anderen Elementen schwierig.
Die Komplexität dieses Systems erfordere daher viele Indikatoren, die Entwicklung erfassen und nicht nur einen, wie das Bruttoinlandsprodukt.


Ein zweiter wichtiger Vorreiter der Ökologischen Ökonomie war Nicholas Georgescu-Roegen. 1906 in Rumänien geboren, studierte er zunächst Mathematik in Bukarest, promovierte aber 1930 an der Sorbonne in Paris. Später hatte er mehrere Professuren in den Bereichen Statistik und den Wirtschaftswissenschaften, in Rumänien und den U.S.A.


Er kritisierte die vorherrsche Lehre dafür, die planetaren Grenzen bei den Analysen nicht mit einzubeziehen. Mit seinem Buch „The Entropy Law and the Economic Process”(zu Deutsch: Das Entropiegesetz und der Wirtschaftsprozess) begründet er die Bioökonomie. Entgegen
der aktuellen Vorstellung, ein grünes Wirtschaftswachstum durch eine Produktion auf Grundlage biologischer Ressourcen zu erreichen, sieht seine Disziplin vor, die Wirtschaft als Teil der Biosphäre zu betrachten. Daher sollten sie die Grenzen dieser berücksichtigen, um eine dauerhafte Funktion zu gewährleisten.

Zentral für Georgescu-Roegen sind die thermodynamischen Beschränkungen, deren Gesetze er auf die Wirtschaft anwendet. Daher betrachtet er, wie Kapp auch, diese als offenes System. Im Gegensatz zur typischen neoklassischen Theorie, die diese als geschlossenes System begreift. Bildlich kann man sich die Wirtschaft, laut dem Schüler und Mitbegründer der internationalen Gesellschaft für Ökologische Ökonomie, Herman E. Daly wie ein Tier oder Auto vorstellen:
Diese können in einem geschlossenen System nicht funktionieren. Tier und Auto sind an beiden Enden mit der Umwelt verbunden. Bei der Nahrungs- bzw. Kraftstoffaufnahme wird Energie vebraucht, am Ende entstehen Abfallprodukte, die weder Tier noch Auto verwerten können. (https://www.deutschlandfunk.de/versprechen-der-biooekonomie-das-gleiche-in-gruen-100.html)

Zudem hob er die sogenannte „exosomatische Natur“ der menschlichen Evolution hervor. Er beschreibt damit die Entwicklung des materiellen Wohlstands in der westlichen Welt durch wirtschaftliches Wachstum und Fortschritte in Wissenschaft und Technik. Die Abhängigkeit der menschlichen Gesellschaft von fossilen Brennstoffen spielt in diesem Konzept eine entscheidende Rolle. Ein damit verbundenes Dilemma ist die Sucht nach extravagantem Komfort, der von den exosomatischen Organen bereitgestellt werde. Außerdem führt der Versuch, den Zugang zu Energie zu kontrollieren, zu sozialen Konflikten. Beide Probleme führen zu Ungleichheiten – zwischen Regionen und zwischen Generationen (Generationenkonflikt).

Seine Analysen führten ihn dazu, der Gesellschaft ein konkretes Rahmenprogramm an die Hand zu geben, damit das Überleben der Menschheit gesichert werde:

  1. Verzicht auf Waffenproduktion
  2. Anhebung des Lebensstandards aller Länder auf ein Niveau, dass einen angenehmes Leben ermöglich, ohne luxuriös zu sein
  3. Reduktion der Weltbevölkerung auf eine Zahl, die durch ökologische Lebensmittel (also mit Bio-Siegel) ernährt werden kann
  4. Vermeidung und wenn nötig Verbot aller Energieverschwendung
  5. Verzicht auf Luxusgüter wie etwa große Autos
  6. Abschaffung der Mode
  7. Herstellung von Produkten, die lange halten und reparierbar sind
  8. Entschleunigung statt Hamsterrad und maßlose Steigerung der Produktivität: „Wir müssen begreifen, dass eine wichtige Voraussetzung für ein gutes Leben darin besteht, einen großen Teil der Freizeit auf intelligente Weise zu verbringen“.

(https://www.welt-sichten.org/artikel/4140)

Um die Gedanken zusammenführen: ihm ging es also gerade nicht darum, dass wir viele Besitz anhäufen und konsumieren wie es uns möglich erscheint. Stattdessen fordert er die Gesellschaft zur Suffizienz auf, also möglichst wenige Ressourcen zu verbrauchen. Dies hat zum Ziel, dass möglichst viele Generationen eine Lebenschance bekommen.

(Siehe dazu: https://www.bund.net/ressourcen-technik/suffizienz/suffizienz-was-ist-das/

https://www.postwachstum.de/nicholas-georgescu-roegen-1906-1994-entropie-20180901)

Hier lässt sich auch das Stichwort „Achtsamer Konsum“ anführen. Dieser kann letzendlich sogar zu mehr Lebensqualität führen, entgegen der vielen Verheißungen von Produktwerbungen. Das führt mich dann auch dazu, den Allerweltsbegriff „Wohlstand“ zu hinterfragen. Doch darauf möchte ich in einem weiteren Blogeintrag näher eingehen.

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Karl Polanyi und die große Transformation

„Geht´s der Wirtschaft gut, geht es uns allen gut.“

Wäre schön, wenn das so einfach wäre. Meine Reise führte mich diesmal nach Wien, wo ich ein Seminar mit dem Titel „Living Well Within Limits“ (zu Deutsch: Gut Leben innerhalb von Grenzen) der Professorin Julia Steinberger, die unter anderem am Sechster Sachstandsbericht des IPCC mitwirkte, besuchte.

Das Seminar wurde von der Internationalen Karl Polanyi Gesellschaft ausgetragen, bei der ich seit kurzem auch Mitglied bin. Karl Polanyi war ein Wirtschaftshistoriker, sowie Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler. Gebürtig aus Wien stammend, studierte er in Budapest Jura sowie Philosophie und engagierte sich dort politisch. Nach Ausbruch des Ungarisch-Rumänischen Krieges zog er nach Österreich, wo er für die Zeitung Der „Der Österreichische Volkswirt“ sowie der deutschen Ausgabe „Der Deutsche Volkswirt“ arbeitete.

In seinem Hauptwerk „The Great Transformation“ (zu Deutsch: Die große Transformation) beschäftigt er sich mit den Wechselwirkungen von Gesellschaft und Wirtschaft, um auf den ersten Satz zurückzukommen. Im Kern fordert er, dass die Wirtschaft der Gesellschaft dienen sollte und nicht umgekehrt. Dazu muss sie in die Gesellschaft eingebettet sein, weil sonst Gesellschaft und Natur zerstört werden. Die sogennante Transformation, also Umwandlung, die wir in den letzten Jahrhunderten in Europa beziehungsweise in den letzten Jahrzehnten etwa in China erleben konnten, führte dazu, dass die Wirtschaft sich aus dem gesellschaftlichen Rahmen entzog und die sozialen Beziehungen dem ökonomischen Handeln untergeordnet wurden.

Ein Beispiel hierfür ist die Gleichsetzung von Arbeit mit Geld und Kaufkraft (in den Wirtschaftswissenschaften wird dies als Humankapital bezeichnet, treffend ist auch der Begriff Human Ressources). Arbeit wird lediglich als Ware behandelt und dies führt demnach zur Entwertung der möglicherweise eigentlich sinnstiftenden Betätigung. Eine persönliche Entfaltung kann dadurch nur bedingt, wenn gar überhaupt stattfinden. Hierbei kann von Kommodifizierung gesprochen werden.

(Siehe dazu://https://www.managerismus.com/relectures/karl-polanyichanging-the-goal)

In Deutschland lässt sich das am Beispiel der Saisonarbeitskräfte, etwa im Spargelanbau veranschaulichen. Viele Arbeitskräfte kommen aus Osteuropa und bekommen nicht dieselben Arbeitsrechte wie heimische ArbeitnehmerInnen. In der Corona-Pandemie wurden nach Ausbrüchen negativ Geteste dazu angehalten, eine Arbeitsquarantäne einzuhalten. Also durften sie ihre Sammelunterkünfte nur noch verlassen , um den Spargel zu stechen. Ich denke, es ist nicht vermessen, dabei von Ausbeutung zu sprechen.

(Siehe dazu: //https://taz.de/Arbeitsquarantaene-auf-Spargelhof/!5765810/)

Polanyi betonte daher die Zwangsläufigkeit eines politisch-regulativen Schutz der Gesellschaft vor den Folgen des freien Marktes in seinem Buch. Seine Arbeiten sind vielmehr Analysen und bieten keine konkreten Politikempfehlungen.

Die öffentliche Vorlesung an der Wirtschaftsuniversität Wien mit Julia Steinberger wollte ich mir nicht entgehen lassen (hier auch nochmal zum Nachschauen:
//https://karlpolanyisociety.com/2023/05/15/living-well-within-limits// )

Mit Hinblick auf die aktuelle Klimakrise griff der Wissenschaftliche Beirar der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen 2011 auf das Buch zurück, und forderte einen „Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation“, um den Klimawandel zu begrenzen.

Es sollte nun darum gehen, der Wirtschaft ihren Platz zuzuweisen (=“Putting the Economy in its place“, wie auf dem Banner sichtbar). Denn im Grunde sind das Wichtige ja die Menschen, die uns in unseren Tätigkeiten umgeben und nicht das Geld, das wir dafür verdienen. Hilfsbereitschaft, Nachbarschaftichkeit und Unterstützung anderer sollten im Vordergrund stehen und bilden die Grundpfeiler einer gut funktionierenden Gesellschaft.

Die Herausforderung liegt nun vor allem darin, gesellschaftliche Gradmesser für Wirtschaftlichkeit neu zu definieren. Hierzu zählen beipielsweise destruktive Hierarchien wie die Verklärung von Hedgefonds-Managern zu Leistungsträgern während Elementarpädagoginnen als Belastung für die öffentlichen Gelder angesehen werden.

Verknüpft werden sollte dies mit der Neudefinition von Wohlstand. Schließlich basiert unser Wirtschaftssystem auf fossilen Rohstoffen. Die Ausbeutung und Verbrennung fossiler Energieträger hat unsere planetaren Lebensgrundlagen zerstört, gleichzeitig in gewisser Weise auch zu Wohlstand geführt (den Widerspruch werde ich in einem weiteren Artikel ausführen). Das Ziel sollte vorwiegend darin liegen, eine achtsame Beziehung von Mensch und Natur zu erreichen als vielmehr dem vorherrschenden Glaube an eine Lösung durch technischen Fortschritt nachzugehen.

(Siehe dazu: //https://wien.arbeiterkammer.at/service/studien/WirtschaftundPolitik/falterbeilagen/Falterbeilage_2018_Karl_Polanyi.pdf)