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Naturgewalt und Geisteskraft – Menschwerdung in der Evolution

So der Name des im vergangenen Jahr stattfindenden Symposium Kortizes in Nürnberg, das ich besuchte. Dieses findet einmal im Jahr statt und beschäftigt sich mit unterschiedlichen Themengebieten zu den Bereichen Hirnforschung und Psychologie. Es ist eine populärwissenschaftlich angelegte Veranstaltung. Das heißt, dass sie auf ein Publikum ausgerichtet ist, welches kein Fachwissen zu den Vortragsthemen hat.

Das 2023 stattfindende Symposium Kortizes stand unter dem Titel „Naturgewalt und Geisteskraft – Menschwerdung in der Evolution“

In meiner Promotion beschäftige ich mich damit, wie städtische Landschaftsstruktur auf menschliches Wohlbefinden wirkt. Dazu gibt es verschiedene Theorien, welche Anordnung größere Einflusse auf unsere Lebenszufriedenheit hat. Eine davon ist, dass die Vogelbiodiversität mit dem Landschaftsgefüge zusammenhängt. Auf der anderen Seite wiederum gibt es einige Indizien dafür, dass uns Vogelvielfalt und das Spektrum an unterschiedlichen Vogelgesängen gut tut. So konnte etwa ein Forschungsteam innerhalb eines Experiments feststellen, dass bei gesunden TeilnehmerInnen das Hören von Vogelgezwitscher zu einer Abnahme von Angstempfinden und Paranoia führt.

Gleichzeitig zeigen verschiedene Forschungsarbeiten, dass eine höhere Vogelbiodiversität mit bestimmten Strukturierungen der Landschaft zusammenhängt. Daher baut die Theorie also indirekt aufgebaut mit der Prämisse, das Landschaftsstruktur mit der Vielfalt an Vogelarten zusammenhängt und die Vielfalt im Umkehrschluss positiv auf das menschliche Wohlbefinden wirkt.

Ausgehend von der Fragestellung, warum die Vogelartenvielfalt einen positiven Effekt auf die Lebensqualität hat, stellten ForscherInnen die Vermutung auf, dass dahinter ein evolutionärer Mechanismus steckt. So habe es eine Art Ko-Evolution zwischen Mensch und Vögeln bezüglich des Sprachursprungs gegeben. Also, dass z.B. Vögelgesang sich parallel zur menschlichen Sprache entwickelt habe. Andererseits könnte gerade erst der Vogelgesang Menschen dazu inspiriert haben, zu Singen.

Ob an diesen Vermutungen etwas dran sein konnte, wollte ich dann eine Expertin fragen, die auf dem Gebiet zum menschlichen Sprachursprung forscht. Die Biologin Prof. Dr. Julia Fischer konnte ich nach ihrem Vortrag „Die schwierige Frage des Sprachursprungs – Was die Kommunikation von Affen über die Evolution der Sprache verrät“ erreichen. Auf meine Frage hin, konnte sie mir leider nur eine unbefriedigende Antwort geben: „Sie wandern da im Nebel.“ Die Theorie, ob es tatsächlich einen gemeinsamen Sprachursprung zwischen Menschen und Vögeln gegeben habe, könne man leider nicht mehr zurückverfolgen, dazu müsste man in die Vergangenheit reisen.

Auch kann nicht ausgeschlossen werden, dass es keine ursächliche Wirkung des Vogelreichtums auf die Lebenszufriedenheit gibt, sondern dass vielmehr dieser einen guten Indikator für eine intakte Natur darstellt. Das heißt im Umkerschluss also, dass die Artenvielfalt stellvertretend für eine natürliche Umwelt ist.

Diese These unterstützen auch die Forschenden, die sich mit den Auswirkungen von Vogelgezwitscher auf die mentale Gesundheit befassten. Es könnte etwa eine unterschwellige Verknüpfung beim Anhören von Vogelgesang entstehen, so dass dieser mit Naturraum assoziiert wird und ein Gefühl der Geborgenheit entsteht, das von psychischen Problemen ablenkt.

So oder so, lautet das Fazit des Forschers Joel Methorst, der sich mit dem Zusammenhängen zwischen der Vogeldiversität und der Lebenszufriedenheit beschäftigt hat: „Durch den drohenden Verlust der biologischen Vielfalt besteht die Gefahr, dass auch die Lebenszufriedenheit der Menschen bei einer verarmten Natur leidet“.

Und das Vogelgesang uns an sich gut tut, legen die Ergebnisse der Studien nahe. Insofern sollten wir auch um unserer selbst willen viel darein investieren, die Artenvielfalt zu schützen.

Oftmals wird ja in der Debatte um den Bau von Windraftanlagen argumentiert, dass diese zum Vogelsterben, insbesondere von Greifvögeln, wie dem Rotmilan erheblich beitragen und nur ein begrenzter Ausbau von Windenergie stattfinden sollte. Ja, es stimmt zwar, dass Windkraftanlagen leider für Vögel in vielen Fällen zum Tod führen (Schätzungen zufolge verenden etwa 100.000 Vögel jährlich deutschlandweit an Windrädern), im Vergleich jedoch andere Gefahrenquellen, wie Glasscheiben, Autoverkehr und Katzen (Schätzungen zufolge sterben zufolge bis zu 200 Millionen Vögel allein durch Katzen!) sind diese weitaus weniger bedeutsam. Klimaschutz sollte nicht gegenüber Artenschutz ausgespielt werden. Am Ende ist der Umstieg auf erneuerbare Energien wichtiger, da durch den Klimawandel ein weitaus größeres Artensterben droht.

Auch wenn mir das Symposium Kortizes in Hinsicht auf meine Forschung nur bedingt weiterhelfen konnte, kann ich einen Besuch wärmstens empfehlen. Neben dem Wissen kommt auch der Spaß nicht zu kurz. Viele Vortragende machen das Event zu einem kurzweilligen und abwechslungsreichen Ereignis. Im Oktober diesen Jahres findet dann die Veranstaltung mit dem Thema „Im Keller des Geistes – Gehirn, Psyche und die Leistungen des Unbewussten“ statt.