Am 15. Juni fiel die Abstimmung über die sogenannte EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur im Umweltausschuss des EU-Parlaments denkbar knapp aus. Mit 44 zu 44 Stimmen lehnten die Ausschussmitglieder einen Antrag zur Zurückweisung des Renaturierungsgesetzes ab. Eingebracht wurde dieser von der Europäischen Volkpartei (EVP), der einen Zusammenschluss von Konservativen und christlich-demokratischen Parteien, wie etwa die CDU/CSU umfasst.
Doch was beinhaltet diese Verordnung eigentlich und warum ist sie für uns relevant?
Wir wissen alle, der Natur in Europa (natürlich nicht nur in Europa!) geht es NICHT gut. Tatsächlich befinden sich über 80 Prozent der euro-
päisch geschützten Lebensräume in einem schlechten Zustand. Das Gesetz ist wesentlicher Bestandteil des EU-Green Deals und höchstwahrscheinlich die letzte Chance, um die Klima- und Naturkrise gemeinsam anzugehen und die im Pariser Klimaabkommen vereinbarte Temperaturgrenze um 1,5 °C seit Beginn der Industrialisierung einhalten zu können.
(Siehe dazu: https://www.spektrum.de/news/renaturierung-groesste-eu-naturschutzinitiative-koennte-scheitern/2147874)
Im Kern umfasst das Gesetz beispielsweise Vorgaben, innerhalb der EU bis 2030 mindestens 20 Prozent der Land- und Meeresflächen der Maßnahmen zur Wiederherstellung der Natur durchzuführen sowie bis 2050 alle renaturierungsbedürftigen Ökosysteme auf den Weg der Erholung zu bringen. Ebenso sollte in Städten die Gesamtfläche von Grünflächen bis 2040 um mindestens 3 Prozent und bis 2050 um mindestens fünf Prozent zunehmen.
(Siehe dazu: https://www.dnr.de/sites/default/files/2022-10/steckbrief-eu-renaturierungsgesetz221019.html)
Das hört sich vernünfig an?! Es stellt sich die Frage, wie es in Deutschland mit der gesetzlichen Rahmenlage für den Naturschutz aussieht.
Es gibt bisher keine bundesweit verbindlich gültigen Vorgaben zur Wiederherstellung der Natur. Die EU-Verordnung bietet damit guten Rahmen, um bestehende Einzelprojekte zusammenzufassen und großflächig Ökosysteme wiederherzustellen.
Durch das Gesetz sind wir dazu verpflichtet, eine effektive Umsetzung zu gewährleisten. Der Großteil der Maßnahmen muss dann durch die von den Bundesländern umgesetzt werden. Sinnvoll wäre etwa ein nationales Renaturierungsgesetz, wo die Zielvorgaben der EU-Verordnung auf die Länder übertragen werden. Zudem können Planungsverfahren und die Sicherung von Flächen für Renaturierungsmaßnahmen beschleunigt und vereinfacht werden.
(Siehe dazu: https://www.nabu.de/natur-und-landschaft/naturschutz/europa/33254.html)
Wer unterstützt das Vorhaben und warum wird es blockiert?
Das Renaturierungsgesetz wird von großen Teilen der Wissenschaft, von Umweltorganisationen, der Wirtschaft und von Bürgerinnen und Bürgern unterstützt.
Knapp 3.500 WissenschaftlerInnen unterzeichneten einen offenen Brief, in dem sie ihre „tiefe Besorgnis“ über den „ungerechtfertigten Angriff auf das Gesetz, der weitgehend auf Fehlinformationen beruht“, deutlich machten. Auch der WWF, der BUND, und der NABU appelierten an die deutschen Abgeordneten des Europäischen Parlaments das Vorhaben zu unterstützen. Sogar ethisch skrupellos handelnde Unternehmen wie Nestlé und Unilever, aber auch IKEA befürworten das Vorhaben.
Für das Renaturierungsgesetz sprachen sich am 15.06 Abgeordnete der Sozialdemokraten, der Grünen sowie der Linken aus. Die liberale Fraktion war gespalten, obwohl sich der liberale Vorsitzende des Ausschusses Pascal Canfin im Vorfeld der Abstimmung für das Renaturierungsgesetz einsetzte.
Vonseiten der angesprochenen konservativen Fraktion (EVP) wurde zusammen mit populistischen und rechtsextremen Parteien jedoch eine Hetzkampagne gegen das Vorhaben gestartet, mit der wissenschaftlich NICHT haltbaren Behauptung, dass das Gesetz in seiner jetzigen Form verheerende wirtschaftliche Verluste für LandwirtInnen und FischerInnen mit sich bringe, die Lieferketten gefährde, Lebensmittelpreise für Verbraucher erhöht werden und die Einführung erneuerbarer Energien behindert werde. Laut dem für die Ausarbeitung des Parlamentsstandpunkts zum Naturwiederherstellungsgesetz verantwortlichen César Luena sei die EVP vor den anstehenden nationalen Wahlen in Spanien, Polen in erster Linie interessiert mit rechtsextremen Parteinen Bündnisse einzugehen. Die Argumente sind daher wahrscheinlich nur vorgeschoben.
Dem Fraktionsvorsitzende der EVP, Manfred Weber wird vorgeworfen, eine Abgeordneten zu erpressen, damit sie sich der Parteilinie anschließen und gegen das Gesetz stimmen. So behauptete der liberale Europaabgeordnete Pascal Canfin: „Ich weiß aus direkten und verschiedenen Quellen, dass die EVP-Führung Druck auf die Abgeordneten ausübt, wenn diese am Donnerstag zur Abstimmung in den ENVI-Ausschuss kommen und Weber nicht zu 100 Prozent sagen, dass sie gegen den gesamten Text stimmen werden“.
(Siehe dazu: https://www.euractiv.de/section/energie-und-umwelt/news/was-steckt-hinter-dem-drama-ums-eu-renaturierungsgesetz)
Wie geht es jetzt weiter ?
Die Abstimmung vom 15. Juni wurde nun auf den 26. Juni vertagt, allerdings findet in der Sitzung des Umweltrates am 20. Juni auch eine Abstimmung über Renaturierungsgesetz auf der Agenda. Sollte das Gesetz bis dahin bestehen bleiben, (beziehungsweise noch nicht abgelehnt werden) wird es in der Woche ab dem 10. Juli im EU-Parlament beraten werden.
Wie kann ich das Vorhaben unterstützen ?
Da das Gesetz so wichtig für den Naturschutz in der gesamten Europäischen Union ist, gibt es eine Online-Aktion unter dem Hashtag RestoreNature mit (Stand 17.06.23) mit bisheriger Beteiligung von knapp 850.000 BürgerInnen. Unterstützt wird die #RestoreNature-Kampagne von über 200 Organisationen aus ganz Europa. Daher nun der Appell an dich: BITTE UNTERTÜTZE das Vorhaben mit deiner E-Mail HIER: https://www.nabu.de/natur-und-landschaft/naturschutz/europa/33256.html
Noch einmal zusammengefasst:
Das EU-Renaturierungsgesetz ist eine tolle und einmalige Chance für den Naturschutz seit Jahrzehnten, doch die Umsetzung gerät ins Wanken. In diesen Tagen entschiedet sich: Können wir der weiteren Zerstörung unserer Natur Einhalt gebieten und die Lebensgrundlagen schützen?