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Karl Polanyi und die große Transformation

„Geht´s der Wirtschaft gut, geht es uns allen gut.“

Wäre schön, wenn das so einfach wäre. Meine Reise führte mich diesmal nach Wien, wo ich ein Seminar mit dem Titel „Living Well Within Limits“ (zu Deutsch: Gut Leben innerhalb von Grenzen) der Professorin Julia Steinberger, die unter anderem am Sechster Sachstandsbericht des IPCC mitwirkte, besuchte.

Das Seminar wurde von der Internationalen Karl Polanyi Gesellschaft ausgetragen, bei der ich seit kurzem auch Mitglied bin. Karl Polanyi war ein Wirtschaftshistoriker, sowie Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler. Gebürtig aus Wien stammend, studierte er in Budapest Jura sowie Philosophie und engagierte sich dort politisch. Nach Ausbruch des Ungarisch-Rumänischen Krieges zog er nach Österreich, wo er für die Zeitung Der „Der Österreichische Volkswirt“ sowie der deutschen Ausgabe „Der Deutsche Volkswirt“ arbeitete.

In seinem Hauptwerk „The Great Transformation“ (zu Deutsch: Die große Transformation) beschäftigt er sich mit den Wechselwirkungen von Gesellschaft und Wirtschaft, um auf den ersten Satz zurückzukommen. Im Kern fordert er, dass die Wirtschaft der Gesellschaft dienen sollte und nicht umgekehrt. Dazu muss sie in die Gesellschaft eingebettet sein, weil sonst Gesellschaft und Natur zerstört werden. Die sogennante Transformation, also Umwandlung, die wir in den letzten Jahrhunderten in Europa beziehungsweise in den letzten Jahrzehnten etwa in China erleben konnten, führte dazu, dass die Wirtschaft sich aus dem gesellschaftlichen Rahmen entzog und die sozialen Beziehungen dem ökonomischen Handeln untergeordnet wurden.

Ein Beispiel hierfür ist die Gleichsetzung von Arbeit mit Geld und Kaufkraft (in den Wirtschaftswissenschaften wird dies als Humankapital bezeichnet, treffend ist auch der Begriff Human Ressources). Arbeit wird lediglich als Ware behandelt und dies führt demnach zur Entwertung der möglicherweise eigentlich sinnstiftenden Betätigung. Eine persönliche Entfaltung kann dadurch nur bedingt, wenn gar überhaupt stattfinden. Hierbei kann von Kommodifizierung gesprochen werden.

(Siehe dazu://https://www.managerismus.com/relectures/karl-polanyichanging-the-goal)

In Deutschland lässt sich das am Beispiel der Saisonarbeitskräfte, etwa im Spargelanbau veranschaulichen. Viele Arbeitskräfte kommen aus Osteuropa und bekommen nicht dieselben Arbeitsrechte wie heimische ArbeitnehmerInnen. In der Corona-Pandemie wurden nach Ausbrüchen negativ Geteste dazu angehalten, eine Arbeitsquarantäne einzuhalten. Also durften sie ihre Sammelunterkünfte nur noch verlassen , um den Spargel zu stechen. Ich denke, es ist nicht vermessen, dabei von Ausbeutung zu sprechen.

(Siehe dazu: //https://taz.de/Arbeitsquarantaene-auf-Spargelhof/!5765810/)

Polanyi betonte daher die Zwangsläufigkeit eines politisch-regulativen Schutz der Gesellschaft vor den Folgen des freien Marktes in seinem Buch. Seine Arbeiten sind vielmehr Analysen und bieten keine konkreten Politikempfehlungen.

Die öffentliche Vorlesung an der Wirtschaftsuniversität Wien mit Julia Steinberger wollte ich mir nicht entgehen lassen (hier auch nochmal zum Nachschauen:
//https://karlpolanyisociety.com/2023/05/15/living-well-within-limits// )

Mit Hinblick auf die aktuelle Klimakrise griff der Wissenschaftliche Beirar der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen 2011 auf das Buch zurück, und forderte einen „Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation“, um den Klimawandel zu begrenzen.

Es sollte nun darum gehen, der Wirtschaft ihren Platz zuzuweisen (=“Putting the Economy in its place“, wie auf dem Banner sichtbar). Denn im Grunde sind das Wichtige ja die Menschen, die uns in unseren Tätigkeiten umgeben und nicht das Geld, das wir dafür verdienen. Hilfsbereitschaft, Nachbarschaftichkeit und Unterstützung anderer sollten im Vordergrund stehen und bilden die Grundpfeiler einer gut funktionierenden Gesellschaft.

Die Herausforderung liegt nun vor allem darin, gesellschaftliche Gradmesser für Wirtschaftlichkeit neu zu definieren. Hierzu zählen beipielsweise destruktive Hierarchien wie die Verklärung von Hedgefonds-Managern zu Leistungsträgern während Elementarpädagoginnen als Belastung für die öffentlichen Gelder angesehen werden.

Verknüpft werden sollte dies mit der Neudefinition von Wohlstand. Schließlich basiert unser Wirtschaftssystem auf fossilen Rohstoffen. Die Ausbeutung und Verbrennung fossiler Energieträger hat unsere planetaren Lebensgrundlagen zerstört, gleichzeitig in gewisser Weise auch zu Wohlstand geführt (den Widerspruch werde ich in einem weiteren Artikel ausführen). Das Ziel sollte vorwiegend darin liegen, eine achtsame Beziehung von Mensch und Natur zu erreichen als vielmehr dem vorherrschenden Glaube an eine Lösung durch technischen Fortschritt nachzugehen.

(Siehe dazu: //https://wien.arbeiterkammer.at/service/studien/WirtschaftundPolitik/falterbeilagen/Falterbeilage_2018_Karl_Polanyi.pdf)